Schach Praline 3

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Kann Weiß gewinnen ??? WIE ?

Sonntag, 9. Juni 2013

Drama in Chanty-Mansiysk

 
 

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über SCHACH - TICKER von FJ am 08.06.13

Nepomniachtchi vergibt zwei Punkte Vorsprung, Mamedyarov ist Schnellschach-Weltmeister

 

Nicht zum ersten Mal war das sibirische Chanty-Mansiysk Austragungsort eines stark besetzten FIDE-Turniers – wenn auch nicht so stark besetzt wie es die Veranstalter und wohl auch Schachfans weltweit gerne gesehen hätten, dazu später mehr. Diesmal war es die WM im Schnellschach, an die sich noch die im Blitz anschliesst. Gespielt wurden an drei Tagen jeweils fünf Runden. Nach dem ersten Tag stand es so: Nepomniachtchi und Dreev 4.5/5, Mamedyarov und Khairullin 4/5, dahinter unter anderem Grischuk mit 3.5/5. Am zweiten Tag konnte nur einer dieses Tempo durchhalten, neuer Zwischenstand: Nepomniachtchi 9/10, Khairullin und Cheparinov 7/10, dann unter anderem Mamedyarov, Grischuk und Dreev mit 6.5/10.

 

Zwei Punkte Vorsprung sollten doch reichen um das Turnier nach Hause zu schaukeln? Ich konzentriere mich in meinem Bericht (jedenfalls zunächst) auf den letzten Tag, denn (ein Fussballspiel dauert 90 Minuten und) ein Schachturnier, jedenfalls dieses, 15 Runden wobei erst am Ende abgerechnet wird. Nepomniachtchi hatte an den ersten beiden Tagen – bis auf zwei Kurzremisen in jeweils 16 Zügen – alles gewonnen, wobei er nur einmal in Runde 4 gegen Vallejo das Glück des Tüchtigen hatte: da stand er zwischendurch klar schlechter, und selbst in der Schlusstellung ist (mir) nicht klar warum Vallejo aufgegeben hat. Am dritten Tag kam plötzlich Sand ins Getriebe, waren es vielleicht auch die Nerven? Der Reihe nach: Gegen Akopian konnte er mit einiger Mühe ein Remis retten. Gegen Movsesian hatte er vielleicht Glück, dass der Gegner ein etwas spekulatives Bauernopfer ablehnte, danach wurde es – ohne weitere Aufregungen – wieder remis. Dann die für Nepo verflixte dreizehnte Runde: gegen Grischuks Pirc (das spielt man wenn man gewinnen will oder muss?) stand er schnell schlechter und diesmal hiess es am Ende 0-1. Noch hatte er einen halben Punkt Vorsprung auf Mamedyarov und einen auf seinen Peiniger Grischuk … . In der vorletzten Runde gab es wieder ein etwas glückliches Remis gegen Inarkiev, und plötzlich hatten drei Spieler Chancen auf den WM-Titel: Mamedyarov und Nepo beide mit 10.5/14, dahinter Grischuk in Lauerstellung mit 10/14.

Turnierseite

 

Partien Schnellschach

 

Foto: Nepomniachtchi Quelle: Wikipedia

 

Live

 

Zeitplan

 

 

 

 

Denn was tat Mamedyarov in der Zwischenzeit? Wer mitgezählt hat weiss es schon: er gewann und gewann und gewann und gewann und (ich greife vor) dann gewann er noch einmal. So lief die alles entscheidenden letzten Runde: Nepomniachtchi wählte gegen Riazantsevs Caro-Kann eine Nebenvariante mit frühem Damentausch. Tags zuvor konnte er damit Mamedyarov später im Endspiel besiegen, diesmal hatte er nie Vorteil oder auch nur einen konkreten Plan um vielleicht irgendwas zu erreichen – remis nach 40 ziemlich schnell gespielten Zügen, und abwarten was die Konkurrenz macht. Bei Mamedyarov stand es nach seinem 24. Zug (Nepos Partie war bereits zu Ende) so:

 

1

 

Er hat wohl eher keinen Vorteil, das Läuferpaar könnte die schlechte Bauernstellung kompensieren aber nicht mehr als das. Aber nun entkorkte Inarkiev 24.-Sg5? 25.Lxg5 hxg5 26.Txf6 gxf6 27.Txd7 und das sieht schon besser aus für Mamedyarov der die Partie danach gewann – wie schon gesagt, 5/5 am letzten Tag und er ist Weltmeister.

Grischuk spielte parallel eine turbulente Partie gegen Vitiugovs Trompovsky. Erst gewann er eine Qualität für zwei Bauern – Engines denken dass sein Landsmann genug Kompensation hatte, der Livekommentar glaubte an schwarze Gewinnchancen. Dann spielte er wohl ungenau, und Vitiugov bekam noch zwei Bauern darunter ein gefährlicher Freibauer und stand auf Gewinn. Vitiugov konnte der Versuchung nicht widerstehen einen fünften Bauern zu schlagen, was allerdings eine Figur einstellte. Und dann konnte er Dauerschach geben:

 

4

 

Endstand damit: Mamedyarov 11.5/15, Nepomniachtchi 11/15, Grischuk 10.5/15. Gratulation an Mamedyarov, mit diesem Endspurt hat er den Titel verdient. Ob Nepomniachtchi über Silber glücklich ist weiss wohl nur er selbst.

Alle drei Medaillengewinner sind für Kreativschach bekannt, diesbezüglich erfüllten aber vielleicht nur zwei die Erwartungen während Nepomniachtchi mich auch in dieser Hinsicht überraschte. Von jedem noch ein Stellungsbild:

Mamedyarov-Vitiugov (Runde 12)

 5

 

 

Eine sehr bekannte Stellung im tendenziell remislichen Bogo-Inder. Hier spielt Weiss "immer" (d.h. laut Datenbank in 681 von 745 Partien) 7.e3. Und was macht Mamedyarov? Er stellt davor erst die Dame nach f4, was es bisher offenbar nur zweimal gab (von Spielern mit Elo 2240 und 1925). Der Livekommentar (GMs Khalifman und Grivas) war sich nicht sicher was das sollte. Zwar greift die Dame eventuell den Bauern auf c7 an, aber was macht sie sonst auf f4? Sie erwarteten lange Rochade und dann g2-g4, aber so bunt trieb er es dann doch nicht. Die Dame ging später nach h4, nach g3, wieder nach f4 und tauschte sich dann vorteilhaft gegen zwei schwarze Türme. Nicht unbedingt forciert, aber eben gut für einen vollen Punkt.

Nepomniachtchi-Mamedyarov (Runde 7)

 

2

 

 

So stand es nach 62 Zügen, Schwarz gab auf – denn er verliert zwangsläufig den b-Bauern und ein eventuelles Gegenspiel am Königsflügel ist viel zu langsam. Lange hatte Nepo in dieser Partie gar nichts, aber er spielte weiter und weiter und immer weiter. So gewann er reihenweise – hat er das von Carlsen gelernt mit dem er vorübergehend zusammenarbeitete? Nicht der Nepomniachtchi den man normalerweise erlebt oder erwartet, aber der Erfolg gab ihm Recht, jedenfalls die ersten beiden Tage.

Zu Grischuk: Seine Partien waren des öfteren Kraut und Rüben. Gegen Bologan (auch ein kreativer Spieler) stand er glatt verloren (Houdini sagte bis zu +6) und hat noch gewonnen. Gegen Dreev riskierte er viel zu viel, und Dreev liess sich das nicht mehr abnehmen, am Ende hatte er im Damenendspiel fünf gegen null Bauern und drohte ausserdem unparierbar Matt. Ich zeige einen Moment aus Grischuks fürs Turnier wichtigen Partie gegen Nepomniachtchi:

 

8

 

Weiss (Nepomniachtchi) hat eine Qualität weniger, aber er bekam noch zwei Chancen die Partie zu halten: Hier geschah 33.-De5? 34.Df2 (34.fxg6+ fxg6 35.Dh4+ Kg8 36.c4 war die erste Chance) 34.-Kg8? 35.Te1? (36.c4 war die zweite Chance) und der Rest war aus weisser Sicht Agonie. Mit einem Läufer auf c3 und Drohungen gegen den schwarzen König hätte er genügend Gegenspiel bekommen (Schwarz hatte seinen Fianchettoläufer gegen einen weissen Turm getauscht).

 

Zwei andere Teilnehmer möchte ich noch kurz erwähnen: Dreev war – wie schon erwähnt, anfangs auch ganz vorne mit dabei. In Runde 10-13 verlor er dann viermal in Serie. Mit zwei Siegen in den letzten Runden bekam er doch noch ein kleines Stück von Preisgeldkuchen. Vallejo hatte nach dem Turnier in Bilbao letztes Jahr angekündigt zumindest vorübergehend auf Turnierschach zu verzichten. Dafür spielt er noch ziemlich viel und durchaus erfolgreich (zuletzt auch bei der Europameisterschaft), wobei er nach eigener Aussage inzwischen Amateur ist. Gerne würde ich auch auf deutsche Teilnehmer eingehen, aber niemand machte sich auf die Reise nach Sibirien – Naiditsch spielt stattdessen bei der französischen Mannschaftsmeisterschaft.

 

Eigentlich hatte ich – und ich bin womöglich nicht der Einzige – nach Tag zwei einen anderen Bericht angedacht und halb erwartet, dass ich ihn schon schreiben kann während die Schlussrunde noch gespielt wird. Als Einleitung war gedacht: "es gibt Spieler die zweifellos grosses Talent haben, das aber am Brett nicht immer umsetzen können und manchmal läuft es dann doch." Damit meinte ich Nepomniachtchi und irgendwie auch Dreev.

 

Gab es ein vergleichbares Turnier schon einmal? Ja, letztes Jahr die Schnellschach-WM in Astana. Nach zwei Tagen hatte Carlsen einen scheinbar komfortablen Vorsprung, gewonnen hat am Ende Karjakin. Sergey Kim von http://whychess.com/node/11298 ist im Nachhinein Hellseher, wobei er selber nicht daran glaubte: "Die Situation nach Tag zwei erinnert mich an letztes Jahr. Diese 'unmenschlichen' unrealistischen und schlichtweg obszönen (man kann nicht so oft gewinnen!) 9/10 von Magnus Carlsen. Ich gebe zu, dass es kein gutes Ende für ihn hatte, denn er wurde von Karjakin überholt. Aber der Blitz schlägt nicht zweimal ein, und es ist ziemlich schwierig für die Konkurrenz um zwei Punkte Rückstand aufzuholen. Ehrlich gesagt erscheint es unmöglich, so wie Yan heute spielte."

 

Und wo waren Karjakin, Carlsen und einige andere dieses Jahr? Bei Carlsen weiss ich es nicht, Karjakin spielte auch Schnellschach aber in Kiew. Topalov war auch in Kiew, Ivanchuk und Giri spielen auch Schnellschach und zwar gegeneinander in Spanien. Einige andere aus der absoluten Weltspitze wollten vielleicht zwischen zwei Superturnieren (Norwegen bzw. Thessaloniki Grand Prix und demnächst Tal Memorial) keinen Abstecher nach Sibirien machen.

 

Teimour Radjabov nannte auf https://twitter.com/rajachess noch einen anderen Grund. Anfangs schrieb er "bei allem Respekt für meine Kollegen, das Turnier in Khanty-Mansiysk ist keinesfalls eine Weltmeisterschaft und sollte diesen Status nicht haben." Kurze Zusammenfassung seiner anschliessenden langen Diskussion mit FIDE-Vertreter Berik Balgabaev: Top10 Spieler stört es offenbar, dass es im Schweizer System keine garantierten Geldpreise gibt – letztes Jahr gab es ein Rundenturnier in dem auch der 16. von 16 Teilnehmern noch finanziell belohnt wurde. Diesmal bekamen Spieler ab Elo 2760 (und nur die) Reisekosten und Unterkunft erstattet aber kein Antrittsgeld. Da reichte vielleicht auch das durchaus grosszügige Preisgeld nicht: 40,000 Dollar für den Sieger, achter Platz noch 10,000 Dollar, elfter bis sechzehnter Platz noch jeweils 2,000 Dollar. Radjabov sagte noch, dass er gerne gespielt hätte aber aus familären Gründen nicht kann. Und später jubelte er für seinen Landsmann Mamedyarov.

 

Thomas Richter


 
 

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